Plakate zur Landtagswahl 2016 Rheinland-Pfalz: Was wir sehen!
Alles hängt voll mit Wahlplakaten. Aber was sehen wir eigentlich? Und passt das, was wir sehen zur Marke?
Seit vielen Jahren nehmen wir die Wahlplakate vor unserer Bürotür unter die Lupe. Auch für die Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz 2016 setzen wir unseren beliebten »Designcheck Wahplakate« fort. (Vgl. Kommunalwahl ’14 und OB-Wahl ’12)
Die SPD wirbt mit Portraits und mit starken typografischen Plakaten.
Doris Ahnen und Johannes Klomann sehen wir in Polaroid-Anmutung auf hellrotem, fast lachsfarbenen Hintergrund. Johannes Klomann und Doris Ahnen stehen scheinbar vor dem gleichen Gebäude. Malu Dreyers Portrait nimmt deutlich mehr Raum ein. Die Portraitfotos von Malu Dreyer und Doris Ahnen sind perfekt ausgeleuchtet, Johannes Klomanns Portrait hingegen sieht nach hartem Sonnenlicht aus. Aber egal, ob nachträglich montiert oder nicht, wir sehen die Politiker im Stadtleben und nicht im Studio. Schön gerahmt – fast wie ein Portrait im fürstlichen Wohnzimmer.
Die typografische Plakatreihe ergänzt die Portraits.
Auf Hellrot oder Dunkelblau lesen wir also Verantwortung und Damit wir Spitze bei Arbeitsplätzen bleiben! oder ähnlich allgemeine Statements. Schade, hier hätte man mächtig was sagen können. Gesetzt in der Bebas Bold, einem Freefont, definitiv nicht die Hausschrift der SPD die Thesis. Auch die Hauptfarbe – ein sattes Rot, das im Verlauf auch ins Purpur übergehen kann – gilt für diese Plakate nicht.
Im SPD-Corporate-Design-Manual 2015 lese ich: Rot ist und bleibt die Kennfarbe der Sozialdemokratie. Sie ist traditioneller Bestandteil des Markenkerns der SPD und Bekenntnis zu unseren Grundwerten und unserer Geschichte. Purpur und Weiß ergänzen die Hauptfarbe. Dunkelrot und Cyanblau werden für Akzentuierungen eingesetzt.
Wenn es dem Zweck förderlich ist, finde ich es immer gut, sich nicht sklavisch an ein festes Corporate-Design zu halten.
Mittelachsial, in Versalien gesetzt, mit Absatzlinien über und unter dem Text, dass ist natürlich viel hipper, als es das CD-Manual vorsieht. An die dunkelblauen SPD-Plakate gewöhne ich mich gerade.
Die CDU setzt auf raumgreifende Portraits und Statements auf lebendigen Untergrund.
Julia Klöckner wird bereits als neue Ministerpräsidentin für Rheinland Pfalz betitelt. Ordentliche Studiofotos, alle drei Kandidaten im weißen Hemd – wohlgemerkt sehr leger ohne Krawatte. Dazu der Slogan Frischer Schwung. Neue Kraft. von der Volkspartei der Mitte mit christlich-sozialen, liberalen und wertkonservativen Wurzeln … Da muss ich etwas schmunzeln …
Für mich persönlich dürften die Köpfe etwas kleiner im Format stehen, dafür etwas mehr Person zeigen, dann könnte ich mir ein besseres Bild machen. Der Portrait-Anschnitt von Gerd Schreiner ist unglücklich gewählt, wenn anschneiden, dann richtig. Die persönliche Note im Plakat gibt der handgeschriebene Vornamen.
Die Plakatreihe der CDU aus dem Leben
Zuhören. und Begeistern., Mit diesen Slogans zeigt sich Julia Klöckner in der Öffentlichkeit. Die Fotos zeigen mir eine Politikerin im persönlichem Kontakt mit den Bürgern. Ich sehe: Sie hört den Autofahrern durchs Fenster zu, und sie möchte Senioren begeistern. Gesetzt in der Kievit, das entspricht dem CDU-Design.
Die Grünen im Portrait
Angenehme, große, klare Studioportraits vor Betonoptik. Ein großer Pluspunkt ist die angemessene Retusche und der klare Blick in die weit geöffneten Augen von Eveline Lemke und Daniel Köbler. Im CD-Manual der Grünen steht zwar, das Portrait soll vor Grün oder im Umfeld aufgenommen sein, aber Beton ist ja gerade sowieso angesagt, also auch fein.
Name und Slogans sind gesetzt in der serifenbetonten Arvo – einem Freefont, mit den markanten Absatzlinien über und unter dem Text. Man stelle sich jetzt noch den richtigen Apostroph im Text vor… und dann ist es gut.
Grüne Plakate mit Illustrationen
Die Illus sind sehr unterschiedlich komplex. Einige scheinen alles zeigen zu wollen. Ich persönlich finde die reduziertere Form, wie beim Plakat links viel prägnanter. Plakate müssen schnell sein, Sie brauchen keine Geschichten zu erzählen.
Grundsätzlich ist das eine grafische Sprache, die gut zu den Grünen passt, die ich aus meiner Jugend kenne. Für Baden Württemberg scheinen die Plakate mit Illustration und Störer in pink nicht geeignet.
Der Trend geht von der Akzentfarbe zur Zweitfarbe. Siehe mittleres Plakat.
Bei der FDP geht der Trend sogar zur Drittfarbe
Sie sind laut und sehr bunt, gemäß dem 2015 vorgestellten neuen Corporate-Design der FDP. Magenta, Cyan und Gelb als Hauptfarben frei wählbar, dazu die Akzentfarbe Violett.
Im Gegensatz zu anderen Parteien setzt die FDP auf ein rein grafisches Portrait von Volker Wissing in vielen Farbvarianten. Die Illustrationen (es sind mehrere unterschiedliche) an sich sind handwerklich gut gemacht. An sich gefällt mir diese Art der Illustration, ich frage mich nur, ob sie für den Wahlkampf angemessen ist.Die FDP-Plakate wirken auf mich unpersönlich und distanziert. Vertrauen und Sympathie weckt ein so hart gezeichnetes Portrait bei mir nicht.
Das Portrait der Mainzer Kandidatin Cornelia Willius-Senzer – ein Studiofoto mit viel Retusche steht wahlweise vor einem Hintergrund aus Cyan, Magenta oder Gelb. Es gibt mehrere Slogans zur Auswahl, gesetzt in der Din und unterlegt in einer der Hauptfarben. Persönlich gefällt mir, als Nicht-Autobesitzerin, natürlich am besten der Slogan Das Ende von Stauland Pfalz. Wortspiele auf Plakaten, was soll man dazu noch sagen?
Ein kurzer Blick ins 2015 vorgestellte CD-Manual der FDP
Ich lese, dass das Neue Corporate Design deutlich machen soll, was an Menschlichem und Einfühlsamen im Programm der Partei steht. Aus diesem Grund wurde auch die Farbe Magenta dem Blau und Gelb hinzugefügt. Magenta, diese warme Farbe soll das Menschliche und Einfühlsame betonen. Dem stimme ich eingeschränkt zu.
Statt starrer Regeln, Raster und Bevormundungen bietet die neue CI vor allem auch Freiheiten. Denn wer für freies Denken und Handeln steht, muss folgerichtig auch in der CI und ihrer Auslegung Freiräume schaffen.
Dem stimme ich voll und ganz zu. Die Plakate wirken wirklich nicht wie starr nach Regeln umgesetzt, schon gar nicht, wenn man über die Landesgrenzen hinausblickt, z. B. nach Baden Württemberg.
Und ganz wichtig: Die PNM Caecilia, aus der Freie Demokraten gesetzt ist, ist eine wunderschöne Schrift, auch wenn sie kaum zur Geltung kommt.
Die Piraten
Der erste Eindruck ist stylisch. Portraits im T-Shirt, Hintergründe aus hippen Farbflächen, die Slogans teils über dem Portrait platziert, gesetzt in der Roboto (ein Freefont, natürlich), einer zeitgemäßen Groteskschrift. Im Gegensatz zu den Plakaten anderer Parteien bilden sie nicht ihre Spitzenkandidaten ab, es kommt sogar der sympathische Hund zu Wort.
Die Plakatreihe aus dem Umfeld zeigt Großbaustelle, einen Polizisten und einen Schüler von hinten an der Tafel.
Ein gelungenes Bild-Wort-Konzept: Die Fotos zeigen Themen, die auf sprachlicher Ebene ergänzt werden, mit etwas, was ich auf dem Bild nicht sehe. Die Fotos sind recht dunkel, fast unterbelichtet. Das schafft eine düstere Atmosphäre. Und trotzdem hebt sich die Typografie nicht wirklich kontrastreich ab.
Das liegt zum einen an der nicht lesefreundlichen Schrift, der Impact. Zum anderen ist der Hintergrund zu unruhig. Diese Details hätte man handwerklich schöner lösen können.
Die Linke setzt auf typografische Plakate
Sehr plakativ: Weißer Hintergrund mit großen Sprüchen und dem :-), – typografisch noch nie so groß gedruckt gesehen.
Ein sehr einheitliches Plakatkonzept. Oben ein Motiv, in der Mitte ein Slogan, unten der Absender. Alles (CD-konform) gesetzt in der Helvetica Inserat. Jedes Plakat ist weitestgehend in Rot und Weiß und einer zusätzlichen freien Farbe gestaltet.
In der Stadt hängend, wirken diese Plakate ganz anders als am Bildschirm. Wirken sie hier sauber, ordentlich gestaltet und sehr plakativ, so habe ich diesen Eindruck nicht, wenn ich auf der Lu an ihnen vorbeigehe. Vielleicht liegt das an der etwas in die Jahre gekommen typografischen Gestaltung. Lieblos zusammengesetzte Textkästen im Vertrauen darauf, dass wenn man alles richtig macht, schon was Gutes bei rauskommt. Ich würde sagen: Gute Basis, hat noch Potenzial!
Fazit:
So richtig umgehauen haben mich die Wahlplakate alle nicht. Die minimalistischen SPD-Plakate fallen mir am stärksten auf, da sie das Corporate-Design der SPD sehr frei interpretieren und einen sehr starken Eindruck machen. Abgesehen von dem farblich missglückten Portrait von Johannes Klomann, wirken sie auch recht sympathisch.
Wie sieht eigentlich ein ideales Wahlplakat aus?
Ohne Frage: Umso bekannter der Kandidat, desto einfacher ist es auf das entsprechende Portraitfoto zu setzen. Doch wie verschafft man sich Aufmerksamkeit, wenn die Partei nicht das Gesicht zu bieten hat, das sowieso schon jeder kennt?
Ein starkes Wort-Bild-Konzept, eine stilistische Umsetzung, die mir nicht den Ist-Zustand zeigt, sondern den, wo es hingehen soll, dazu eine Umsetzung in handwerklicher Perfektion. So lautet meine Antwort. Und bitte einen Kandidaten, der mindestens so gut aussieht wie Brad Pitt.