31.03.2023

Warum wir inklusiv schreiben

Sprache ist Veränderung. Sprache zeigt Haltung. Sprache impliziert Bilder. Sprache ist Gewöhnung. Und Sprache bietet die wunderbare Möglichkeit, Menschen anzusprechen. Uns an sie zu adressieren – in Verbindung zu treten.

Sie sind mitgemeint

… aus Gründen der besseren Lesbarkeit, haben wir uns dafür entschieden, nur cis-Männer anzusprechen das generische Maskulinum zu verwenden … natürlich meinen wir auch alle anderen Personen mit.
So – oder zumindest so ähnlich – habe ich schon viele Vorbemerkungen in Briefen, Fachbüchern und Einladungen gelesen. Mein Gehirn übersetzt diesen Satz beim Lesen simultan in folgende Zeilen:

Es war uns einfach zu lästig, uns darüber Gedanken zu machen, wie wir unsere bisherige Schreibweise inklusiver gestalten können, und Neuem begegnen wir mit Ablehnung. Das wir dabei alle weiblichen Zeitgenossinnen ausgrenzen – und Personen, die sich nicht in die Kategorien männlich oder weiblich einsortieren, ist uns egal. Damit sich aber niemand beschwert, versuchen wir mit dieser Bemerkung alles wieder einzufangen. Es geht ja darum, was wir meinen, und nicht um das, was wir schreiben.

Um so weiter ich diesen Gedanken ausführe, umso größer wird mein Unmut. Ich verstehe die durchaus aggressive Debatte über das Gendern nicht. Und ich bin überzeugt, dass wir uns diese Debatte komplett sparen könnten, wenn wir uns klar machen, dass es darum geht, die Personen anzusprechen, die wir meinen. Warum nennen wir es nicht inklusive Sprache? Inklusive Sprache ist das neue Gendern.

Inklusiv schreiben und sprechen bringt so viele Vorteile mit sich. Ich freue mich immer, wenn ich als Frau korrekt angesprochen werde und nicht erst alle Fußnoten durchsehen muss, um herauszufinden, ob ich eventuell auch mitgemeint bin.

Sprache bietet uns Möglichkeiten, sich präzise und inklusiv auszudrücken. Ich gebe zu, dass es nicht immer einfach ist, eine passende Formulierung zu finden – und ja, manchmal braucht es dann etwas länger für den Text, die Zeilen, den Brief oder die Ansprache. Eine Website die mir schon tausendmal weitergeholfen hat, wenn ich nach einer passenden Formulierung suche ist geschicktgendern.de von Johanna Usinger. Ein wahrer Schatz an Vorschlägen steht hier im Genderwörterbuch, wenn die Wortwahl mal ein bisschen tricky ist.
Aber ich kann nicht verstehen, wenn wir es gar nicht erst versuchen, und dass es hochgebildete Menschen gibt, die sich vehement dafür einsetzen, damit sich unsere Sprache bloß nicht verändert.
Die Welt dreht sich halt weiter. Und wenn es vor 40 Jahren hingenommen wurde, dass mit dem generischen Maskulinum alle gemeint waren, dann stellen wir fest, dass wir das heute nicht mehr so hinnehmen wollen. Und es stellt sich ja auch die Frage, ob früher wirklich alle gemeint waren. War es nicht so, dass Frauen viele Dinge gar nicht alleine, also ohne die Zustimmung ihres Ehemanns entscheiden durften. War der Brief von der Bank in den 60er Jahren wirklich ehrlich an die Ehefrau adressiert? Was hätte sie alles alleine entscheiden dürfen?

Bei mir ist es mittlerweile so, dass ich sofort wahrnehme, wenn Texte nicht inklusiv geschrieben sind, und manchmal habe ich gar keine Lust, weiterzulesen, denn in meinem Kopf läuft dann der Spruch von oben in Dauerschleife.

Sprache inspiriert

Aus Sprache werden Gedanken, und aus Gedanken entstehen Bilder im Kopf. Sprache weckt buchstäblich unsere Vorstellungskraft. Wer zeichnet schon eine Schornsteinfegerin, wenn die Aufgabe ist, einen Schornsteinfeger zu zeichnen? Wer würde nicht kurz irritiert sein, wenn ich sage, dass die drei Feldspieler aus der ersten Mannschaft schwanger sind. Und wenn ein Chor aus 100 Frauen und einem Mann besteht – und wir daraus 101 Sänger machen, würden wir dann nicht ein falsches Bild erzeugen?

Sprache beeinflusst unsere Vorstellungskraft erheblich

Mit der Gestaltung von Sprache übernehmen wir Verantwortung

Damit unsere Welt inklusiver werden kann, braucht es auch eine inklusive Vorstellungskraft. Genau diese Vorstellungskraft beeinflussen wir als Kommunikationsgestalter:innen bei jedem einzelnen Projekt, das wir gestalten. Deshalb sehe ich es auch als unsere Aufgabe an, in den Konzeptions- und Strategieworkshops beim Projektauftakt dafür zu sensibilisieren. Schließlich geht es heute in der Kommunikation immer auch um Werte und nicht allein um Fakten. Unsere Werte in der Kommunikation sichtbar und fühlbar zu machen – das ist die Aufgabe von Markenkommunikation. Sprache öffnet Räume für die Vorstellungskraft. Und es wäre doch schade, diese Räume nicht mit den eigenen Werten zu bespielen.

Lena Weissweiler
Chief Inspiration Officer

… möchte den nächsten Generationen nicht ein völliges Chaos hinterlassen, und räumt ihren Schreibtisch trotzdem nicht auf.

Lesen Sie auch

08.04.2024
Nachhaltigkeitsmanagement

Kreativität meets Nachhaltigkeitsmanagement

Weiterlesen
Foto mit drei Eukalyptuszweigen und einer Hand, die ein Blatt berührt
Zur Artikelübersicht