30.03.2012

Designcheck Oberbürgermeister-Wahlen Mainz

Wochenlang war Mainz plakatiert von den Plakaten der OB- Kandidaten.
Ich möchte besonders auf die Plakatkampagnen von Günter Beck, Michael Ebling und Lukas Augustin eingehen.

Alle drei setzen auf das Portrait
Von Günter Beck gibt es verschiedene Portraits, freundliche und ernste und sehr dunkle – der große Unbekannte. Günter Beck und Michael Ebling tragen beide sehr leger, einen Schal – im Gegensatz zu ihrem CDU Kandidaten, der natürlich im Schlips daherkommt. Günter Beck ist draußen, wahrscheinlich auf den Kupferbergterassen portraitiert, Augustin im Studio vor Blau und Ebling ebenfalls draußen.
Am größten im Bild steht Augustin. Sein Gesicht nimmt mehr als die Hälfte der gesamten Plakathöhe ein. Gefolgt von Beck. Von Michael Ebling sehen wir mehr – auch die Hände, dafür ist der Kopf kleiner. Beck blinzelt in die Sonne, die Augen erkennbar, aber nicht richtig auf. Augustins Lächeln wirkt erzwungen, etwas passiv, die Augen gerade noch weit genug geöffnet, für ein Portrait. Ebling lächelt mit geöffneten, wachen Augen in die Kamera und kann als einziger starken Blickkontakt aufbauen.

Plakataufbau
Beck und Augustin nutzen die untere Fläche sehr klassisch für Ihren Namen, in den Farben der jeweiligen Partei. Im Bereich darüber steht noch ihr Slogan. Eblings Plakate haben eine Art umgekehrte Sprechblase mit dem für Ihn kreierten ME-Zeichen, darunter Name und Slogan. Diese Fläche ist in der unteren Hälfte im Plakat plaziert, lässt aber Raum nach unten frei, was den Händen zu Gute kommt.

Slogan
Holt euch eure Stadt zurück! sagt uns Günter Beck. Was genau das heißen soll – nehmen wir an, er meint, dass nach 63 Jahren SPD Vormacht im Rathaus nun ein Grüner die Stadt zurückerobern soll – also klarer Parteimachtkampf.

Für Mainz, Für Dich! notiert uns Augustin handschriftlich auf einem Merkzettel.
Und Ebling sagt uns: Oberbürgermeister für Mainz

Viel Inhalt ist das nicht. Was die Kandidaten vorhaben erfahren wir nicht wirklich von den Plakaten – aber gut, schließlich ist ein Wahlplakat ja auch kein Parteiprogramm.


Kurz vor der Stichwahl
ändert Beck sein Plakatedesign. Das gleiche Foto jetzt vor Grün, der Parteifarbe, das Plakat im Querformat. Ein neuer Slogan Beck wählen, Mainz gewinnt und dazu gibt es eine Zeichnung von Beck im Stil von Andy Warhol, leider nur viel schlechter, dafür auch in so schönen bunten Farben eingefärbt. Inklusive Foto sehen wir seinen Kopf 24 mal auf dem Plakat.
Ich finde die Idee mit der Zeichnung ja nicht schlecht, aber warum ist es denn so eine schlechte Zeichnung, die aussieht, als ob sie direkt aus Photoshop kommt. In Mainz gibt es so viele gute Zeichner, Herr Beck, ich empfehle Ihnen gern ein paar, für die nächsten Plakate in 8 Jahren. Schade, dass auch ein neues Foto nicht drin war er benutzt exakt das gleiche wie vorher.
Herr Ebling hat auch neue Plakate. Neues Studiofoto vor Rot. Die Augen weit geöffnet, freundlich geschaut, alles richtig gemacht. Jetzt sogar Krawatte.
Wer Bürgermeister werden will, meint es ernst. Da gibt es sogar noch einen schönen Störer im Plakat, der aber bitte nur wenig stören soll, deshalb auch schön mitgestaltet.

Typografie
Michael Ebling setzt seine Initialen in Großbuchstaben aus der Officina Serif. Eine Spiekermann Schrift, die ihre glorreiche Zeit in den 90ern hatte. Sie wirkt im Schriftzug auf den Flächen erstaunlich frisch und zeitgeistig. Großes Lob an den Typografen, der so selbstbewusst mit der Officina umgeht. Die Initialen haben einen starken Logocharakter. Ebling verkauft sich ganz klar als Marke. Sehr geschickt gemacht.

Günter Beck benutzt die Benton, was in den Großbuchstaben nicht so einfach zu erkennen ist. Viel mehr ist dazu nicht zu sagen, kleiner Zeilenabstand, Mittelsatz. Sehr stolz scheint er auf seine Domain zu sein, die sich nämlich mit einem ü schreibt. Das hebt er handschriftlich auf jedem Plakat hervor.

Augustin benutzt für seinen Namen eine Helvetica. Natürlich auch in Großbuchstaben.
Hey, Politiker, warum setzt ihr alle eure Namen in Versalien? Die Officina hätte ja auch Kapitälchen gehabt. Wahrscheinlich wirken sie aber einfach nicht groß genug, für die großen Herren Beck und Ebling.

Fazit
Ich finde Herr Ebling hat sich die größte Mühe gegeben und bis ins Detail gut arbeiten lassen. Angefangen von guten Fotos, gute Typografie, gutes Logo und eine sehr saubere glatte Gesamtanmutung mit starkem Markencharakter.
Die Plakate von Günter Beck sind durch und durch etwas wilder rauer, aber im Detail nicht so perfekt. Ich vermisse ein besseres Foto. Auch der Slogan holt euch eure Stadt zurück klingt mir mehr nach Machtkampf, als nach begründetem Interesse. Den Designwechsel mit den vielen kleinen bunten Bildchen verstehe ich nicht.
Augustins Plakate finde ich zu schwach. Weder das Foto noch die Slogans überzeugen und die Typografie ist eine, die eigentlich keine ist. Man nimmt sie nicht wahr. Hier würde ich Sie bitten, Herr Augustin, beim nächsten mal etwas mehr von der Pike auf zu arbeiten.

So unwichtig ist Design eben nicht
Viele Stimmen gingen um, dass sich die Kandidaten in ihren Äußerungen gar nicht so sehr viel unterscheiden. Wenn genau so etwas der Fall ist, und die inhaltlichen Unterschiede nicht wirklich greifbar sind, dann spielt das Design eine erhebliche Rolle.
Becks Plakate sind nicht schlecht, aber die von Ebling sind besser.
Bekannterweise hat Herr Ebling die Stichwahl am 25. März gewonnen.

Lena Weissweiler
Chief Inspiration Officer

… möchte den nächsten Generationen nicht ein völliges Chaos hinterlassen, und räumt ihren Schreibtisch trotzdem nicht auf.

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