20.04.2011

Ein ganz besonderer Tafelwein

Endlich einmal komme ich dazu, eines der Etiketten aus unserem Weinkalender Auslese 2011 zu präsentieren. In jedem Monatsblatt steckt nämlich ein Weinetikett zum Sammeln und Liebhaben!

Etikett vom Auslese2011-Tafelwein

Der Monat Februar hatte das Etikett »Tafelwein«. Und normalerweise ist ein Tafelwein die einfachste Qualitätsstufe, die ein Wein überhaupt haben kann. Alles was nicht einmal die Prüfung zum Tafelwein besteht, darf gar nicht (als Wein) in den Handel gebracht werden. Dies dient in erster Linie dem Schutz der Verbraucher, denn sonst könnte jeder dahergelaufene Panscher eine alkoholische Flüssigkeit als »Wein« verkaufen. Was also zum Tafelwein nicht reicht, kann ggf. noch Essig oder letztlich Industriealkohol werden. Jaja, so tief kann ein Traubensaft sinken!

Wer im Kalender jedoch den Text zum Chardonnay gelesen hat, der weiß, dass mancher Tafelwein hingegen gar ein besonderer Tropfen ist. Denn es gibt immer wieder Winzer, denen das strenge Weingesetz zu wenig Spielraum für eigene Ideen lässt. Und so geben sie geradewegs einen feuchten Kehricht auf die Qualitätskontrolle und verkaufen ihren ganz individuellen Charakterwein unter der einfachsten aller möglichen Bezeichnungen. Im Falle des Chardonnay stieß seinerzeit der Barrique-Ausbau auf die Mißgunst der Weinprüfer. Es wurde das störende Vanille-Aroma des kleinen Eichenholzfasses bemängelt. So wurde der Wein kurzerhand als Tafelwein deklariert und als solcher mit erhobenem Haupt verkauft.

Ein Tafelwein für 9 Euro also? Bei Winzer Marcus-Paul Landenberger, in dessen Weinkeller wir unseren Kalender im Dezember präsentiert haben, kein Problem. Er geht ebenfalls den Weg, (einige) Weine nur nach seiner eigenen Meinung auszubauen. Den vermeintlichen Makel, seine Arbeit dann als Tafelwein zu dekalieren nimmt er dabei gerne in Kauf. Da es auch bei »Qualitätswein mit Prädikat« durchaus wenig erfreuliche Tropfen geben kann, bleibt es sowieso jedem Weintrinker selber überlassen, über den Wein zu urteilen.

Tafelwein auf einer Schwalbe (Motorroller)

Aber zurück zum Etikett. Mit diesem Wissen im Hinterkopf war es ja schon unumgänglich, auch in unserem Weinkalender einen Tafelwein unterzubringen. Aber natürlich einen ganz besonderen, der nur vermeintlich hinter den anderen zurücksteht. Und so haben wir uns kurzerhand einem alten Wortspiel hingegeben, 15 € in die dafür bereitstehende Kasse gezahlt und einen echten Tafel-Wein kreiert: Mit echtem Tafellack, der mit Siebdruck auf das Etikettenpapier gedruck wurde. Darüber wurde die sparsame Beschriftung – ebenfalls per Siebdruck – in weißer »Kreide«-Schrift gedruckt. Und so bleibt auf dem einfachen Etikett eine Menge Spielraum für persönliche Freiheit und Experimente. Einige von ihnen können getrost mit einem »Schwamm drüber« vergessen werden. Und einige können zu wahren Kunstwerken werden und als flüchte Augenblicke in Erinnerung bleiben.

Und somit passt das Etikett ja wieder ganz perfekt zum Inhalt, der als Tafelwein deklariert wird.

Simon Wehr
Superuser & Head of Presentation

… gestaltet Themen, die es wert sind, auch in Zukunft gesehen zu werden.

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