25.08.2017

Wahlplakate 2017 im Design-Check

Am 24.09.2017 sind Wahlen und natürlich gehen wir hin! Als Service, bzw. Einstimmung zur Wahl, bieten die Parteien ihre Plakate an, die helfen, eine gute Entscheidung zu fällen. Doch helfen mir die Plakate wirklich weiter?

Am 24.09.2017 sind Wahlen und natürlich gehen wir hin! Als Service, bzw. Einstimmung zur Wahl, bieten die Parteien ihre Plakate an, die mir helfen sollen, eine gute Entscheidung zu fällen. Doch helfen mir die Plakate wirklich weiter? Gerade wenn man ein Mensch ist, der sehr stark nach gestalterischen Gesichtspunkten urteilt? Tiere, Kinder, kreative Ideen, Wortwitze, Portraits und typografische Plakate, die ganze bekannte Bandbreite ist vertreten..

Beginnen wir mit den Parteien die Tiere schützen oder Schweine essen.

Lieber keine Schweine wählen!

Denke ich mir, egal ob dreckig oder babyrosa. Sie gehen beide nicht an mich. Das rosa AFD-Ferkel hat auf jeden Fall die bessere Fernwirkung und natürlich den Babybonus. So rein und zart. Wenn es mir über den Weg laufen würde, wäre ich bestimmt entzückt. Trotz Wortwitz, der Spruch zündet nicht, und das Ferkel passt auch nicht in meine Küche. Das ÖDP-Schwein – schon viel mehr ein Realo-Schwein. Niemand findet es süß, aber wenn man schaut wo es steht, so könnte man es als ein echtes Glücksschwein bezeichnen – in Zeiten der Massentierhaltung. Gefährlich: Die AFD hat es im Gegensatz zur ÖDP geschafft, Plakate zu gestalten, über die man spricht. Mit Ironie und einer starken Spannung zwischen Text und Bild, die das Schwein in einen anderen Kontext bringen.

Nächstes Thema:

Chancengleichheit

Ein prima Ansatz: Es gibt Parteien, die dafür einstehen, dass Frauen die gleichen Gehälter wie Männern zustehen.
Die Grünen lösen das typografisch mit einer pinkfarbenen gerasterten Euromünze im Hintergrund. Ist das nicht das erstbeste Motiv, dass einem dazu einfällt? Da hätte ich mir mehr Idee gewünscht. Die Schrift in Versalien, enger Zeilenabstand, unruhiger Hintergrund, das alles macht es schwer lesbar. Die Grünen verzichten in diesem Wahlkampf komplett auf Foto-Motive, außer bei den Kandidaten-Portraits. Interessant, mir aber zu unruhig. Schließlich ist das ein Komplimentärkontrast in Reinform. Gut dass da noch die gelbe Sonnenblume ist, sie gibt den nötigen Corporate-Rahmen und bestätigt einmal mehr den Absender. Das Bildmotiv ist mir zu wenig aussagekräftig. Die Farbe Magenta, die bislang nur eine Akzentfarbe war, wird dieses Jahr voll aufgetragen.

Die SPD setzt auf ein Berufs-Portrait einer attraktiven Dame in einer sehr sauberen Industriehalle. Sie trägt Handschuhe und Ohrenschützer. Im roten Corporate-SPD-Quadrat steht die Botschaft: Nicht mehr in der Thesis gesetzt, der früheren SPD-Schrift, auch nicht in der Bebas, der Schrift aus dem SPD-Landtagswahlkampf 2016, sondern in einer hier recht gesichtslos wirkenden Helvetica. Warum nur wechselt die SPD jedesmal ihre Schrift? Ich verstehe es nicht. Denn die Typografie berührt uns unterbewusst, sie bildet eine fundamentale Basis für ein konsequentes Corporate-Design. Ohne einen darauf geschulten Blick, kann man es schwer formulieren, aber wahrgenommen wird es sofort, wenn ein Corporate Design jedes Jahr verändert wird. Hier sehe ich in der neuen Schrift keinen Gewinn, ganz im Gegenteil. Es ist keine konsequente Weiterentwicklung des SPD-Corporate-Design. Je nach Plakatmotiv verbinde ich die Kampagne mal mit einer Berufsgenossenschaft oder mit einer soliden Versicherung.

Vielleicht sollte ich lieber die wählen, die sich für die Familie einsetzen?
So kann ich wählen zwischen zwei lauten SPD-Kindern oder einer generischen CDU-Familie. Oder aber Frauke Petry mit ihrem neu geborenem Sohn. Ihrem 5. Kind aus zweiter Ehe. Frauke Petry, auf die Welt blickend, fast wie die heilige Jungfrau Maria mit dem Jesuskind. Natürlich in Hellblau.

Aber mal ganz im Ernst. Wie kann man denn sein eigenes Baby für ein Wahlplakat herhalten lassen?
Es handelt sich ja nicht um irgendein Baby und nicht um irgendeine Partei. Heilige Familie hin oder her. Die Kinder und Familien auf SPD und CDU-Plakat sind generisch. Aber das von Frauke Petry ist eine äußerst persönliche Geschichte, und hat in einem Wahlkampf nichts verloren.

Die CDU baut mit Wörtern wie kinderleichter kleine Wortwitze in ihre Kampagne ein. Das ist neu bei der CDU und zielt darauf ab, dass wir die CDU als eine sehr sympathische und jetzt auch viel jüngere Partei im Kopf abspeichern. Zum Thema Kreativität bekommen wir (zumindest auf den Plakaten) von der CDU dieses Jahr noch mehr geboten: Ja, das kann wirklich passieren, wenn man nicht aufpasst, dann wird man im Garten an den Baum gefesselt. Ich habe meine Briefwahlunterlagen selbstverständlich schon an die Pinnwand gesteckt, und habe nichts zu befürchten. Nur hängen habe ich dieses Plakat noch nicht gesehen.

Lieber die Partei mit den besten Ideen wählen?

Das Happy End von den Piraten ist schon nicht schlecht, oder? Einhornwiese pur. Alle Botschaften auf einmal. Ein Suchbild als ein Kampagnenmotiv.
Kreativ, jung, digital, agil und ein bisschen verrückt. Was fällt einem da als erstes ein?
Ja liebe SPD, mir auch. Ein nettes Motiv, aber würde man das Logo gegen ein Sparkassen Logo tauschen, dann würde das sicher auch gut passen. Ich persönlich weiß nicht, was die SPD mit diesem Plakat aussagen möchte.

Aua. manchmal kann Typografie echt weh tun.

Das bereitet mir beim bloßen Anblick körperliche Schmerzen.
Weiße Schrift auf Magenta oder Rot. Die Linken wählen eine gemischte Schreibweise, was die Sache noch besser lesbar macht. Inszenierende Typografie im Titel der Linken. Die Goldkette. Auf mich wirkt das alles schon sehr alt. Und der angefressene Apfel als Sinnbild der Grünen für eine kranke Natur? Hm, das passt für mich nicht.
Außerdem muss ich genau hinschauen, um ihn überhaupt zu erkennen. Warum sind die Motive der Grünen nur so blass? Wo bleiben die guten Ideen und der Mut sie hier zu zeigen?

Ich sehe mich lieber mal bei den Kandidaten um. vielleicht finde ich im Portrait, was ich suche.

Den smarten Typen mit dem Slim-Fit Anzug aus dem Modekatalog in Schwarzweiß? Dieses Jahr hat es die FDP geschafft aus ihrem neuen Branding wirklich alles herauszuholen. Man kann sie mögen oder nicht, aber die Portraits von Lindner haben eine gestalterische Eigenständigkeit, die sonst keine andere Partei in ihren Portraits aufbringt. Und das auf einem gestalterisch hohen Niveau. Gleich daneben: Mutti! Zweifelsohne ein perfektes Portrait. Die CDU löst sich von ihrem Orange und umspielt ihre Motive sanft mit den Deutschlandfarben.
Die Portraits der Grünen sind solide, etwas zu brav getroffen, mit bodenständiger Typografie darauf. Auf schwarzem Grund ist die Lesbarkeit zumindest gesichert. Martin Schulz erinnert mich an den Versicherungsvertreter meiner Mutter. Sehr auffallend, dass die meisten seiner Plakate genau gleich ausschauen, wie die seiner Partei-Genossen. Er reiht sich somit auf gleicher Ebene ein. Man merkt es kaum auf diesem Plakat, dass er der Kanzler-Kandidat ist. Ganz rechts Sahra Wagenknecht. Mit Abstand das bravste Bild in dieser Reihe.

Jetzt noch ein Gedanke zum Stilmittel Farbe.

Lieblingsfarbe Rot?

Nein, ich mag kein Rot, aber viele Leute mögen es. Darüber gibt es sogar Studien. Die CDU mag es, und die SPD auch. Man muss also ganz genau hinschauen, welche Partei man gerade vor sich hat. Abgrenzung durch Farbe scheint den Parteien nicht wichtig zu sein. So komme zu dem Schluss:

Wahlplakate sagen leider viel zu wenig aus.

Die gestalterische Qualität der Wahlplakate kann dieses Jahr nicht als Maßstab für die Wahl dienen. Die Plakate differenzieren sich wenig. Und sie bringen die eigentliche Botschaft mal mehr mal weniger auf den Punkt. Die AFD erreicht mit viel Wortwitz und einem starken Text-Bild-Konzept eine erschreckende Präsenz, war sie doch in den vergangenen Wahlkämpfen gestalterisch im Abseits. Am eigenständigsten präsentiert sich die FDP: Modefotos kombiniert mit viel Text, als Hinweis auf viele Inhalte. Ob das so aufgeht und mich motiviert, mich mit ihren Inhalten auseinanderzusetzen, bezweifle ich. Wirkt sie doch recht distanziert auf mich, die Kampagne.
Die CDU macht einen Rundumschlag von Familie über Deutschland nach Europa. Damit greift sie sehr beliebte Themen auf und bringt die Botschaften positiv auf den Punkt, während die SPD von Problemen spricht.

Und jetzt?

Der Informations-Service der Parteien geht ja über die Plakate hinaus. Die einzelnen Wahlprogramme sind zum Download auf den Webseiten, in Kurzer-, Mittlerer-, oder in der Vollversion. Manche sogar in leichter Sprache. Wahl-O-Mat, steht ab dem 30. August zur Verfügung. Gespräche mit möglichst unterschiedlichen Menschen über Politik zu führen hilft weiter und natürlich die Zeitung lesen. Am besten auch mal eine andere als die Lieblingszeitung. Auch wenn es anstrengend ist, sich mit den Inhalten zu beschäftigen, es ist unbedingt notwendig, denn von den Informationen auf den Plakaten auf die Inhalte der Parteien zu schließen, das funktioniert ganz sicher nicht.

Lena Weissweiler
Chief Inspiration Officer

… möchte den nächsten Generationen nicht ein völliges Chaos hinterlassen, und räumt ihren Schreibtisch trotzdem nicht auf.

Lesen Sie auch

08.04.2024
Nachhaltigkeitsmanagement

Kreativität meets Nachhaltigkeitsmanagement

Weiterlesen
Foto mit drei Eukalyptuszweigen und einer Hand, die ein Blatt berührt
Zur Artikelübersicht